Partizipation ist das Gegengift zu Populismus

Redeentwurf zur heutigen Sitzung der Enquetekommission zur Stärkung der Demokratie (es gilt das gesprochene Wort):

“Partizipation ist das Gegengift zu Populismus” – Dieser Satz von Andreas Gross aus der letzten Sitzung der parlamentarischen Enquete zur Stärkung der Demokratie ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Partizipation des Volkes in einer parlamentarischen Demokratie – das ist für mich kein Systembruch, das ist für mich eine logische, ja eine notwendige Konsequenz.

Populismus bedeutet für mich wider besseres Wissen den leichteren Weg gehen, den einfachen. Immer verbunden mit einer schlechteren Lösung am Ende dieses Weges. Die meisten Menschen machen die Erfahrung in ihrem eigenen Leben, dass dies nicht die richtige Vorgehensweise ist. Und genau deswegen kann man ihnen auch zutrauen, eine solche Vorgangsweise in der Politik zu erkennen und abzulehnen.

Alles, was dafür notwendig ist, ist genügend Information um die Zusammenhänge verstehen zu können. “Wir müssen besser kommunizieren” ist da der Standardsatz eines jeden Politikers nach einer Niederlage und das stimmt natürlich auch. Besser kommunizieren kann man immer. Noch viel, viel besser wäre es allerdings, wenn nicht der Politiker alle Fragen jedes Menschen erraten muss, sondern wenn die Bürgerinnen und Bürger ihre Informationen einfordern. Und zwar nicht die geschliffenen Pressetexte, wie wir sie hier alle kennen, sondern konkrete Antworten auf konkrete Fragen.

Um aber so eine konkrete Frage überhaupt stellen zu können, ist Interesse notwendig. Dieses Interesse gilt es zu fördern, gilt es zu nähren, damit daraus eines Tages Engagement wachsen kann. Das passiert heute schon über verschiedenste Webseiten, über Youtube-Videos, über Blogs. Ich habe mir da einiges angeschaut und es tut manchmal wirklich weh, was da unwidersprochen für ein Blödsinn steht.

Die Politik muss dem widersprechen. Sie muss ihre Verantwortung wahrnehmen und dieses Interesse auf sich lenken. Sie muss den interessierten Bürgern dieses Landes ein Angebot machen, von ihnen lernen und sie im besten Fall aufnehmen, selbst zu Politikern machen. Das geht aber nicht mit Fragestunden, das geht nicht mit Newslettern, das geht nicht mit Pressetexten. Das geht nur auf Augenhöhe und deshalb geht es nur mit echter, ernstgemeinter Partizipation.

Echt und ernstgemeint ist eine Partizipation aber nur dann, wenn sie ergebnisoffen stattfindet. Wenn vorher klare Regeln bestehen, wie weit sie gehen kann und wo sie aufhört. Wir haben im Laufe der parlamentarischen Enquete ein Reihe von verschiedensten Modellen kennengelernt, wie das funktionieren kann und auch wie es nicht funktioniert. Wir haben das letzte Mal genau diese Frage hier gestellt bekommen: “Wo werden die Entscheidungen zur direkten Demokratie denn nun tatsächlich getroffen” hat Frau Ruhsmann, eine der per Losentscheid in die Enquetekommission berufene Bürgerin hier gefragt und damit genau diesen Nerv getroffen. Echte und ernstgemeinte Partizipation – das ist unser Auftrag, das ist unsere Pflicht.

Ich nehme diesen Auftrag sehr ernst und möchte daher, dass wir konkreter werden. Ich persönlich bin ein glühender Befürworter direkt-demokratischer Mittel. Gleichzeitig sehe ich auch den Widerstand dagegen, quer durch alle Parteien. Um in so einer Situation unserem Auftrag gerecht zu werden, brauchen wir einen gemeinsamen Nenner! Wie ich zu Beginn dieser Enquete bereits gesagt habe: das schlechteste wäre, unverrückbare Pflöcke einzuschlagen.

Was kann nun so ein gemeinsamer Nenner sein? Ich glaube ganz allgemein sollte unser gemeinsames Ziel die Sicherung der Demokratie sein. Ich glaube, da sind wir uns auch schnell einig. Politikverdrossenheit nimmt zu, ihre neueste Ausformung ist das “Wutbürgertum”. Da brauchen wir auch nicht lange zu diskutieren, das schwächt die Demokratie.

Wenn wir sie also sichern wollen, die Demokratie, dann müssen wir sie stärken! Und das bedeutet IMMER mehr Mitbestimmung. Auch in den ablehnenden Stellungnahmen wurden bisher ja keine Alternativen zu mehr Mitbestimmung genannt. Wir müssen also damit beginnen, dieses Mehr an Mitbestimmung zu definieren. Wir müssen hier in dieser Enquete sehen, wie weit wir Vorschläge außer Streit stellen können – auch und gerade wenn sie nicht der große Wurf sind.

Das zentrale Wählerregister, essentiell für die Möglichkeit der Online-Unterstützung von Volksbegehren, niedrigere Hürden, ein besserer parlamentarischer Beratungsprozess für Volksbegehren, das sind Dinge, die mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ermöglichen und damit die Demokratie stärken.

Ich wünsche mir wirklich, dass wir möglichst viele dieser Dinge in der Enquetekommission außer Streit stellen können, damit sie im parlamentarischen Alltag nicht zum politischen Kleingeld werden oder für taktische Spielchen missbraucht werden, wie das in der Vergangenheit doch das eine oder andere Mal passiert ist. So wie wir in der Enquetekommission zur Würde am Ende des Lebens 51 Empfehlungen einstimmig beschlossen haben, so brauchen wir hier auch eine breit getragene Liste mit konkreten Vorschlägen.

Daher meine Bitte an die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Parteien:  Wenn der Widerstand gegen einen großen Wurf zu groß sein sollte, dann darf das keine Ausrede dafür sein, die Zustimmung zu kleineren Reformen zurückzuziehen. Auch das habe ich in der Vergangenheit schon erlebt. Dann könnte es uns nämlich passieren, dass die Demokratie schlussendlich geschwächt aus dieser Enquete hervorgeht und das kann niemand wollen.

Deswegen brauchen wir zusätzlich zu dem bereits erarbeiteten, weiteren Input, konkrete Vorschläge, wie wir Bürgerbeteiligung im Großen, aber vor allem auch im Kleinen konkret umsetzen können. Die lieben Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Parteien, bitte ich darum, dass wir umgehend damit beginnen können, eine solche Liste zu erstellen und ich wünsche mir, dass die in die Enquetekommission entsandten Bürgervertreter bei diesen Besprechungen dabei sind und darüber wachen, dass nichts vergessen wird, dass keine taktischen Spielchen gespielt werden und dass es das Parlament ist, das über Fragen der direkten Demokratie entscheidet.