Social distancing und die Gratwanderung zwischen Freiheit und Verantwortung

„Social distancing“ – zwei Wörter, die für viele von uns vor ein paar Monaten noch kein Begriff waren, die in den vergangenen Wochen jedoch eine unglaubliche Popularität erlangt haben. Wer hätte gedacht, dass man Leben retten kann, indem man Abstand zu seinen Mitmenschen hält? „Social distancing“ heißt unser Mittel im Kampf gegen das Virus, das die ganze Welt noch immer in Atem hält. Wir Menschen, die sich doch so gerne herzen und umarmen müssen auf einen wichtigen Teil unseres Lebens verzichten: Soziale Kontakte, Partys, Veranstaltungen, Theater, Familienfeste usw. Das hat in Deutschland eine große Debatte ausgelöst. Immer mehr Menschen fragen sich: Bin ich bereit, meine Freiheit, mein eigenes Leben, für das Leben anderer aufzugeben? Handeln wir nur dann moralisch richtig, wenn wir damit das Wohlergehen aller anderen maximieren? Ist nicht jeder Mensch gleich viel wert? Fragen, für die es keine allgemein gültige Antwort gibt, die jeder für sich selbst beantworten muss.

Da gibt es den einen Satz, der für mich – als ein von der christlichen Soziallehre geprägter Mensch – gut zu dieser Debatte passt. Er lautet: „Mensch sein heißt verantwortlich sein“. Wir sind verantwortlich für uns selbst und für die Menschen, die uns nahe stehen. Gerade wann man in einer Sache keine gesicherten Daten und Expertisen hat, kann in der Nachsicht, im Rückblick, immer etwas anders gesehen werden. Aber vor allem in solchen Situationen ist es wichtig, Entscheidungen zu treffen. Die Hände in den Schoß zu legen und nicht zu entscheiden, wäre der denkbar schlechteste Weg und nur wer frei von Schuld ist, werfe den ersten Stein. Verantwortung wird daher auch immer von Schuld begleitet sein. Aber am Ende des Tages zählt die Herangehensweise, nämlich von welchen Prinzipien man sich hat leiten lassen: Mut und Entschlossenheit – das zeichnet gute Führung aus. Eines ist klar: Diese Tage, die wir gerade durchleben, schreiben Geschichte. Für den Inhalt sind wir alle gemeinsam verantwortlich. Ich bin überzeugt, dass es am Schluss ein „Happy End“ geben wird, weil wir mit Mut, Solidarität und Nächstenliebe durch diese Krise gehen.