Wollen wir wirklich verfassungspolitische Entscheidungen ohne politischen Diskurs?

Der Konflikt betreffend Beihilfe zum Suizid ist kein neuer. Zu dieser Frage gab es auch schon mehrere Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes (zuletzt 2016). Der Unterschied zu diesem Mal ist das Ergebnis der Entscheidung. Die Konsequenz, die Politik muss reagieren. Unabhängig von ihrem Willen, unabhängig vom Regierungsabkommen und somit unabhängig davon, was die Mehrheit vertretenden Parteien wollen. Dennoch geht es um eine verfasssungspolitische Entscheidung, denn würde es um eine verfassungsrechtliche Entscheidung gehen, hätte der VfGH schon früher anders entscheiden müssen, denn die rechtlichen Parameter haben sich seit Jahrzehnten nicht geändert. Hier entsteht ein demokratiepolitisches Spannungsfeld. Wenn unsere Höchstgerichte politische Entscheidungen treffen, müssen sie sich aus einem demokratischen Grundverständnis heraus auch dem politischen Diskurs stellen. Man muss die Verantwortung hier klar zuweisen, diese liegt nicht bei der Regierung oder dem Parlament, diese liegt bei den klagenden Parteien und dem Verfassungsgerichtshof. Eine Entscheidung über Leben und Tod, welche gänzlich aus dem politischen Prozess genommen wird und ohne Diskurs umgesetzt werden muss, ist eine Vorgehensweise, die in einer lebendigen Demokratie nach Aufklärung schreit.
Welche Verfassungsrichter haben für die Aufhebung des Paragrafen 78 StGB gestimmt und welche dagegen? Wir müssen und bewusst sein, dass der VfGH keine gesichtslose Institution ist, sondern dahinter 13 Menschen stehen, welche (wahrscheinlich) in einer Mehrheitsentscheidung diesen verfassungspolitischen Schritt gesetzt haben und jetzt die Verantwortung tragen müssen.
Ich glaube, dass die Entscheidung nicht nur eine Diskussion über die gesetzliche Konsequenz notwendig macht, sondern ebenso eine Diskussion darüber, inwiefern der Souverän und seine Repräsentanten im Parlament solche Entscheidungen an eine nicht gewählte Institution auslagern möchte.
Jetzt haben wir die Situation, dass sich die Politik mit Kritik von den verschiedenen Seiten konfrontiert sieht und eine Entscheidung rechtfertigen muss, die sie selbst nie getroffen hat.