Zur Frage 4: Wer schützt Solarkraftwerke vor der Privatisierung?

„Soll die Stadt nach dem Beispiel der BürgerInnen-Solarkraftwerke weitere erneuerbare Energieprojekte entwickeln, die mit finanzieller Beteiligung der BürgerInnen realisiert werden?“

Eine sachliche Auseinandersetzung mit dieser Volksbefragung ist wahrlich nicht einfach, angesichts der dilettantischen Versuche der „Marketingexperten“ im Rathaus, die Sinnlosigkeit der Fragen mit positiv besetzten Vokabeln zu verschleiern. „Erneuerbare Energieprojekte“, „Solarkraftwerke“, „Beteiligung der Bürger“ – allesamt schöne Floskeln, aber um was geht’s hier eigentlich?

Wien Energie begann letztes Jahr damit, sogenannte Solarkraftwerke zu bauen, an denen sich Bürgerinnen und Bürger finanziell beteiligen konnten. Ein halbes Solarpaneel kostete 475,00 € und dafür wurde eine Rendite von 3,1% versprochen. Maximal 10 ganze Paneele konnten pro Person erworben werden, weil damit – lt. Wien Energie – der durchschnittliche Strombedarf eines Haushalts produziert werden kann. Nur damit keine Missverständnisse auftauchen: die Stromrechnung bezahlt jeder neue Kraftwerksanteileigner natürlich trotzdem noch, aber dennoch waren die verfügbaren Paneele innerhalb kürzester Zeit ausverkauft und neue Anlagen sind in Planung. So weit so gut.

Die Tatsache, dass es sich dabei um eine Privatisierung von Teilen der Stromerzeugung handelt, mag unter dem Gesichtspunkt, dass die Anteilseigner ja normale Bürgerinnen und Bürger sein sollen und nicht amerikanisch-globalisierte Heuschreckenfonds, noch verzeihbar scheinen – dennoch kann ich mir die Frage beim besten Willen nicht verkneifen: Wer schützt denn die Wiener Solarkraftwerke vor der Privatisierung?

Zumal es sich bei diesem Geschäftsmodell ja nicht nur um eine simple Form der Privatisierung handelt, sondern, laut Barbara Krüglstein vom Steuerberatungsriesen Deloitte, um ein„Sale-and-Lease-Back“ Modell (ja genau so wie damals, als die Straßenbahnen nach Amerika verkauft wurden!), das zwar sicherstellt, dass die Solarpaneele dann, wenn sie kaputt sind (nach 25 Jahren), wieder in das Eigentum der Wien Energie übergehen, andererseits die Rendite bei derartigen Modellen aber auch nicht der 25% KEST unterliegt, sondern dem ganz normalen, progressiven Einkommenssteuertarif. Wenn sie es sich also leisten können, 10 Paneele zu kaufen, dann werden Sie mit ziemlicher Sicherheit die Hälfte der Rendite gleich wieder versteuern können.

Es steht Ihnen natürlich trotzdem frei, ökologische Stromerzeugung auch bei höherer Versteuerung durch den Kauf von Solarpanelen zu unterstützen. Man kann auch gespannt darauf sein, welche Ideen die Wiener Stadtwerke in Bezug auf Sale-and-Lease-Back Finanzierungen noch haben werden. Vielleicht kann man sich bald den halben Rotorflügel eines Windrades kaufen – wie auch immer, die Frage bleibt: Warum werden Wiens Bürgerinnen und Bürger darüber befragt?

Die Wiener Stadtwerke haben bereits erklärt, auf jeden Fall weiterhin derartige Kraftwerke zu bauen, egal wie die Volksbefragung ausgeht. Alles andere wäre ja auch vollkommen verkehrt, denn natürlich soll auch eine öffentliche Gesellschaft innovative neue Geschäftsmodelle entwickeln und verkaufen können. Den Erfolg oder Misserfolg derartiger Projekte bestimmt allein – Achtung, jetzt kommt ein böses Wort – der Markt.